[Mittwoch, 22. August 2001]
Lieber Johnny,
vorgestern hatte ich zum ersten Mal Zypern. Oh Dear! Hinterher war ich schweißgebadet. Aber alles ist gut gegangen. Abends ging ich hier mit Ruth aus, einer Kollegin: erst essen und dann in ein Café in der Südstadt, wo man sitzen und reden kann.
Ich habe ihr von dir erzählt. Sie hat aufmerksam zugehört, wie man einer ungewöhnlichen Geschichte zuhört (sie hat keine Ahnung von Golf). Ruth hat nicht verstanden, warum es „so kompliziert“ sein muss. Ich versuchte es ihr zu erklären, also nicht, warum es kompliziert sein muss, sondern warum es ist wie es ist und dass es eigentlich ganz unkompliziert ist, wenn man sich an die Spielregeln hält, nicht wahr?
Ich hatte danach den Eindruck, dass Ruth mit ihren Männern schon gleich nach ein paar Stunden in die Kiste ist… Ich will das nicht verurteilen oder für mich ausschließen (du verstehst schon), aber
wir haben uns für diese besondere Art der ‚Annäherung’ entschieden. Und das ist etwas, was ich mir nicht gerne nehmen lassen will. (Ruth hat später noch hinzugefügt, das höre sich für sie nach einer Art von Gefangenschaft an. Na ja, so kann man das auch sehen!)
Das solltest du wissen, wenn ich dir jetzt sage, dass ich zuhause war, als du zu meiner Wohnung gefahren bist. Es ist mir ähnlich ergangen wie dir: nur dass ich den Dienst absagen musste, weil mir in der Nacht übel war und ich mich am frühen Morgen noch übergeben hatte. Später war ich beim Arzt, aber es schien nichts Ernstes. Dann bin ich nach Hause, habe auf dem Weg ein paar Kleinigkeiten (Tee, Zwieback, etwas Brühe) eingekauft und mich ins Bett verkrochen. Als ich aufwachte, ging es mir besser.
Ich machte mir einen Kamillentee, aß ein paar Zwiebäcke. Dann hörte ich die Kinder draußen und bin ans Fenster. Ich wollte schon wieder zurück an den Küchentisch, als ich den fremden Wagen vor dem Haus sah. Du fährst einen roten Cruiser, nicht wahr? Très chique!!! Ich rätsele nur, wie du da deine Golfsachen verstaust. Du saßest hinter dem Steuer. Ich hab dich gleich erkannt.
Ich glaube, seit einiger Zeit frage ich mich, warum ich nicht schon früher so was gespielt habe, viel früher. Aber es war deine Idee - sie war Klasse, einfach Klasse!!! Und natürlich gehören zwei dazu, die dafür bereit sind. Mir ist, als würfe ich nun mein ganzes Leben in die Waagschale dieses Platzes.
Ich habe immer viel gearbeitet, um dahin zu kommen, wo ich jetzt bin: Ich wollte unabhängig sein, frei, ungebunden. Ich wollte die Welt sehen und weg aus einem kleinen Winzerort in der Südpfalz. Ich wollte am Steuer einer möglichst großen Maschine ganz nach oben, wo die Freiheit so grenzenlos schien... Und jetzt will ich nur noch auf der Erde gebased sein, an einem guten Ort, mit einem Menschen, der mich liebt. Ich will kein Gefängnis, aber diese Freiheit über den Wolken, das ist es nicht mehr.
Manchmal habe ich gedacht: wenn er mir sagt, ich solle zu ihm kommen - was werde ich dann tun? Wie oft hatte ich dich vor Augen, als du deinen Ball geschlagen hast, dein Gesicht unmittelbar neben mir.
Dort oben am Fenster habe ich gejauchzt vor Freude und war schon auf dem Weg zur Tür. Aber dann ließ mich irgendetwas zögern. Ich überlegte, ob ich nicht lieber das Fenster öffnen und dir zuwinken sollte. Doch da wusste ich schon, dass ich nichts dergleichen tun würde.
A.
PS: Einen 3-Meter-Putt habe ich dir gelassen. Das ist keine Kleinigkeit. Und ich habe jetzt englischen Tee im Haus.
Sag mir, was wir tun sollen. A.