26
Mrz
2009

Die Twosome-Briefe 29

bagrasbagras
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[Montag, 20. August 2001]

Liebe Amélie,

gestern hatte ich überraschend frei und bin nicht auf den Platz gefahren, sondern entgegen jeder Spielregel zu deiner Wohnung. Ich wollte einfach wissen, wie du lebst. Die Adresse hatte ich von Andy.

Ich bin also in die Siebengebirgsallee und habe nach der Nummer 34 gesucht. Eine eigentümliche Straße: die roten Ziegel des lang gezogenen Gebäudes, die winzigen Vorgärten zwischen den Hauseingängen, gerahmt von grünen Hecken. Als ich eine Zeit lang Amsterdam/Schipohl anflog, war ich an freien Tagen manchmal an der Küste, wo es Städtchen mit solchen Häusern gibt.

Ich fand deinen Namen: eine Wohnung im oberen Stockwerk. Es war später Nachmittag. Kein erkennbares Licht in deiner Wohnung. Ich habe nicht geklingelt. Ich wusste aber auch nicht, ob das schon alles sein sollte. Ich ging zu meinem Wagen zurück und parkte ihn näher an der Wohnung. Dann beobachtete ich Eingang und Straße. Dabei hätte ich dir nicht sagen können, was ich eigentlich wollte.

Auf dem Bürgersteig und in einem dieser kleinen Vorgärten – zwei Eingänge vor der Nummer 34 – spielten Kinder. Andere Kinder fuhren auf Fahrrädern, abwechselnd auf Straße und Bürgersteig, dann durchquerten sie einen Vorgarten und stießen zwischen einer Lücke in der Hecke wieder zurück auf die Straße. Ich sah ein Mädchen auf einem Einrad. Sie balancierte sehr kunstvoll darauf. Sie hatte blonde, glatte Haare und sah furchtlos aus. Ich musste an dich denken, denn obwohl ich wenig über dich weiß, bist du in meinen Augen furchtlos.

Im Grunde versuchte ich, wenigstens ein Stück weit hinter deine Fenster zu schauen. Einmal kam jemand aus dem Haus: eine junge Frau mit einer Tasche, in der offenbar viele leere Plastikflaschen waren. Einmal ging ein Mann ins Haus. Er war um die fünfzig, trug eine Anzughose und ein weißes kurzärmliges Hemd. Das Sakko hatte er über den Arm geworfen. Ich konnte erkennen, dass sich links im Flur gleich die Briefkästen befinden, denn der Mann stand noch in der geöffneten Tür, als er seinen öffnete.

Vielleicht wollte ich ja eine Ahnung bekommen. Eine Unruhe vertreiben. Jedenfalls war ich danach ruhiger. Ich habe dich jetzt vor Augen, wie du aus dieser Tür kommst, um zur Arbeit zu gehen. Oder wie du vom Einkaufen zurückkehrst. Wie du nach deiner Post schaust. Und sogar, wie du eines der Fenster öffnest und dich ein wenig vorbeugst, um den Himmel zu sehen.

Johnny

PS: Nachdem ich zuletzt das Birdy versaut habe, habe ich wenigstens versucht, alles wieder gut zu machen. Dein Drive war eine bildschöne Vorlage. Aber mein Holz 3 war, glaube ich, auch nicht übel und lässt dir jetzt noch einen Chip an die Fahne. Kein Bunker. Kein Wasser. Nur ein langweilig lang gestrecktes Grün. Ich sehe unseren Ball auf dieser Landebahn rollen rollen und rollen …
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Jardin des Plantes, Paris

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Die kleine Gruppe entlang des Gartenzauns:
vorneweg die Dreijährige, quengelnd,
zum Schluss der Jüngste, säumig.
Das Geflecht, von der Mutter gestreift
mit gleichmütigem Blick. Erinnerungen
an die Leichtigkeit der Geduld und
den Panther, mürbe geworden
in diesem Zeitalter der Vernunft.
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'Unser Kampf'

Im Perlentaucher-Online-Magazin ist ein Essay von Götz Aly zu finden, über seine Erfahrungen während einer ausgedehnten Lesereise mit seinem vor einem Jahr erschienenen und teils harsch debattierten Buch über die 68er Bewegung Unser Kampf (S. Fischer Verlag).

"Humorfrei und stahlgrau reagierten die 68er auf die Erkenntnis, dass sie die Kinder ihrer Eltern waren. Den Nichtwiderstand gegen die Tyrannei, den sie den 33ern vorwarfen, wollten sie durch den Widerstand gegen die Nichttyrannei kompensieren."

Bei Perlentaucher sind auch die wichtigsten Rezensionen zu dem Buch versammelt

Für meine aktuelle Arbeit an den 'Reichstagen' war diese Debatte im Zuge eines Rückblicks auf 40 Jahre 68er-Bewegung von großem Interesse - auch weil ich in dem zuletzt veröffentlichten Kapitel zu Bel Buchmanns 'jüdischen Diebstählen' versuche, auf bestimmte Verformungen in der Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus gerade im linksliberalen Spektrum einzugehen.


PS: Freilich gebärdet sich Götz Aly, Alt-68er, Publizist und Professor für Geschichte in Frankfurt mit dem Spezialgebiet Holocaust-Forschung, in seinem Perlentaucher-Essay streckenweise ähnlich eitel und humorlos wie er es seinen ehemaligen "Kampfgefährten" unterstellt.
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Erzählen

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:::::::::::::::::::::::::::::::: Jochen Langer lebt und arbeitet als Autor in Köln. Er war als Dozent für die 'Grundlagen des Erzählens' zuständig und hat eine Vorliebe für Literaturaktionen. Zahlreiche Förderpreise und Auszeichnungen. www.jochenlanger.de ----- Seit 2009 Alltagsbetreuer für demenziell Erkrankte, Dozent an Fachseminaren der Altenpflege und Museumsführer für Demenzkranke. Gründung von dementia+art - ein Dienstleistungs-Unternehmen für 'Kulturelle Teilhabe bei demenziellen Erkrankungen und altersspezifischen Einschränkungen'. www.dementia-und-art.de

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_____________________ Meine Kommentare

Danke für deine Antwort,...
Danke für deine Antwort, Lady! Dass sie nie zusammen...
JochenLanger1 - 2. Apr, 23:14
Ich hätte ja gern gewusst,...
Ich hätte ja gern gewusst, wie du (und andere) das...
JochenLanger1 - 2. Apr, 17:00
Kaffeehaus-Essenz.
Auch ich habe Ihren Kommentar gerne gelesen, weil er...
JochenLanger1 - 31. Mär, 09:04
Die Reise des Helden
Nein, das ist nicht begriffsstutzig, sondern auch mein...
JochenLanger1 - 30. Mär, 21:29
Nicht für das oben beschriebene...
Nicht für das oben beschriebene Vorhaben. Ansonsten...
lamamma - 29. Mär, 23:12

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