Die Twosome-Briefe 23
[Montag, 23. Juli 2001]
Liebe Amélie,
in den letzten Tagen ‚durfte’ ich Singapur und zurück und bin heute, nach über sechzehn Stunden, etwas ratlos vor meiner Appartementtür gelandet. Ich fühle mich wie gerädert, und ich merke, dass mich vieles an diesem Leben nicht mehr fasziniert. Ja ich verspüre Ekel, wenn ich an manche Begleiterscheinungen des Berufs denke (nicht ans Fliegen selbst!).
Ganz gleich wie verlockend die Destination ist: ich will nicht mehr ständig unterwegs sein. Familie, Freunde, ein Platz, an dem man sich Zuhause fühlt, das kommt mir wie ein unerreichbarer Luxus vor. Jede Frau, die ich geliebt habe, hat mich irgendwann verlassen, weil ich nie da war. Ich bin der Mann, der nicht da ist, wenn man ihn braucht. Viermal bin ich in den letzten acht Jahren umgezogen – und ich habe nicht den geringsten Schimmer, wo ich morgen oder übermorgen gebased sein werde.
Längst weiß ich nichts mehr über einstige Freunde und Bekannte, doch ich kenne tausend Tricks, wie man sich an einer neuen Destination möglichst effektiv versorgt: die Runde in Supermarkt, Kino, Tankstelle, Zahnarzt… Ich weiß nicht, in wie vielen Hotels ich in meinem Leben übernachtet habe. Aber ich weiß, dass die meisten eine Bar hatten und dass ein reger Wettbewerb herrscht unter den Crews, wer wie viele Barkeeper mit Namen kennt. Seit drei Jahren war ich Weihnachten nicht mehr zu Hause. Aber wo zum Teufel ist mein Zuhause?
Manchmal ist es für einige Stunden der Golfplatz. Oft ist es für einige Stunden eine 737 oder 757. Aber zumeist bin ich im Layover zu Hause.
J.