Die Twosome-Briefe 15
[Montag, 28. Mai 2001]
Liebe Amélie,
ich gestehe: ich war heute um Mitternacht auf dem Platz! Dabei hatte ich mir schon am Nachmittag den Umschlag geholt (das Grinsen von Andy!), als ich noch einen Anruf von meinem Crewplaner bekam: ich sollte für Bert einspringen, der krank geworden war. (Shit!) Allerdings war es eine kurze Strecke, und gegen Mitternacht war ich zurück. Doch ich war auf das Spielen deines Balles eingestellt, mir fehlte etwas.
Auch war ich nach diesem ziemlich chaotischen Tag überhaupt nicht müde, sondern eher aufgedreht. Ich aß Nudeln mit Butter und Ketschup, schaute die Latenightnews über irgendwelche Krisengebiete und sah immer wieder aus dem Fenster, wie bei einem totalen Regentag, wenn man hofft, dass das Wetter doch noch gut wird, damit man auf den Platz kann.
Irgendwann stand dann der Mond so superhell am Himmel, dass ich mir mein Bag schnappte und auf den Platz fuhr. Natürlich war kein Mensch mehr da. Ich schlug mich nicht ein (es gab ja keine Bälle, und überhaupt), sondern ging gleich zu Loch 4, um die Stelle zu suchen. Ich fand sie auch, obwohl der Ball im Mondschatten eines Baumes lag. Ich wartete eine Weile, bis er deutlich zu erkennen war. Dann schlug ich ihn weg - und es war gut.
War ich zuvor wie in einem Käfig aus eigenen Gedanken, so tauchte ich mit dem Schlag ab in den Zustand des Platzes. Ich atmete die Stille (die eigentlich keine war). Ich fühlte das feuchte Gras an den Knöcheln, als ich durchs Rough streifte. Was ich mir wünschte, war, mich mit dir zusammen in dieser hellsichtigen Dunkelheit über den Platz zu bewegen. Ausgesetzt und vertraut zugleich. Ich verspürte den Wunsch nach Nähe, ja, ich wurde überrollt von einer Welle der Sehnsucht; schwere See, gefährliche Turbulenzen. Erst als mir das klar wurde, begann ich ruhiger zu werden. Ich ging über den ganzen Platz. Ich fuhr erst nach Hause als der Mond verschwunden war.
J.
PS: Den Ball habe ich nicht mehr gefunden. Ich weiß nicht warum. Ich hatte den Eindruck, es wäre ein guter Schlag. Aber es ist nicht das erste Mal, dass die Nacht unsere Illusionen schluckt.