Die Arbeit eines Schriftstellers an seinem Schreibtisch ist erschreckend erlebnisarm (nicht unbedingt sein Leben). Ich habe nie Tagebuch geführt und habe das auch nicht vor, wahrscheinlich, weil ich mich zu einem unmittelbaren Schreiben über J.L. angehalten sähe und weiß, dass ich über meine Erfahrungen schon mittelbar in vielen Rollen und Figuren meiner Geschichten schreibe. Dieses romanhafte 'lügnerische' Schreiben hat (im Gegensatz zum Gestus des Tagebuchs) etwas mit Verbergen zu tun - wobei mir selbst undeutlich ist, was genau das zu Verbergende ist. Ich bin vermutlich auch gar nicht scharf darauf, es herauszufinden (bzw. ich bin zu feige, es zu tun), weil dieser Gedanke (nämlich das im Unbewussten 'Verborgene' herauszufinden und zu benennen) als treuen Begleiter stets die begründete Furcht mit sich trägt, dann vielleicht Abschied vom Schreiben nehmen zu müssen - das bekanntlich wesentliche Impulse aus dem Unbewussten erhält.
Schreiben ist in diesem Sinne für mich eine Flucht vor der Selbsterkenntnis - zugleich aber auch in vielfältiger Weise eine ziemlich lange Reise dorthin. Denn wenn über die Jahre relativ kontinuierlich so etwas wie ein 'Werk' entsteht, bilden sich für den aufmerksamen Leser (das muss nicht zuerst der Autor selbst sein) eine Reihe von Konstanten heraus, wie sie in den Beschreibungen, Dialogen, Handlungsverläufen und Örtlichkeiten immer wieder auftauchen.
Was ich sagen will, ist, dass ich mich als Autor vor allem auch angebunden fühle an die Lebensumstände meiner Kindheit und dass die Jahre eines langen Erwachsenen- und Autorenlebens mich immer wieder dazu führen, diese Prägungen und ihre zweifellos schicksalhaften Bedingungen zu 'bearbeiten'.