Tage

28
Mrz
2009

Der Caféhausbesitzer und der Dandy

Ich habe schon lange keinen Mann mehr mit Manschettenknöpfen gesehen. Aber Freitag war die 'Lange Nacht der polnischen Literatur' im IGNIS, seit 25 Jahren das Zentrum für osteuropäische Kultur in Köln. Zu Gast im voll besetzten Plenum der alten Villa in der Nähe von Rhein und Zoobrücke waren zwei jüngere Autoren. Jacek Dehnel, der Dandy unter den jüngeren Autoren Polens, trug (neben Anzug, Weste, gediegener Krawatte und Taschenuhr - für die Weste!) auch deutlich sichtbar Manschettenknöpfe.
  • "Jacek Dehnel wurde am 1. Mai 1980 in Danzig geboren. Er studierte in Warschau, wo er heute lebt und arbeitet, als Kritiker und Übersetzer (z.B. Gedichte von Osip Mandelstam und Philip Larkin) sowie Prosaschriftsteller und Dichter. 2005 erhielt er den Kościelski-Preis, 2007 den „Reisepass” des Wochenmagazins Polityka.

    Sein Roman „Lala”, eine Familiensaga, in der die zentrale Figur die Oma des Autors ist, Elżbieta, oder kurz: Lala. Der Enkel ist von der kreglen Alten fasziniert, die so einiges mitgemacht hat – vor allem während des Zweiten Weltkriegs, aber auch davor und danach. Farbig und fröhlich erzählt sie Geschichten aus der eigenen Familie, von Freunden und bekannten Zeitgenossen, und weil sie die Geschichten schon oft erzählt hat, übernimmt der Enkel immer häufiger den Part des Erzählers, als sie älter und schwächer wird.
    Ein pralles Sittengemälde ganz im Stil der oral history."
Als relativ 'normal' wurde vom Moderator Albrecht Lempp Lukasz Debski eingeführt - der nicht einfach nur Caféhausliterat ist wie viele andere auch, sondern dem gleich ein Caféhaus (mit vielen Schränken) in Krakau gehört.
  • "Łukasz Dębski (geb. 1975) – Kinderbuchautor, Prosaschriftsteller. Lebt in Krakau, wo er als (Mit-)Besitzer eines Caféhauses unterhalb des Wawel Zeit hat, am Tresen seinen Stammkunden zuzuhören. Da kommt einiges zusammen: die Geschichte vom „Herrn Astronom“, einem großen Liebhaber von Himmels- und anderen Körpern, oder von Karol, dem Teppichhändler aus der Wendezeit, der sich eines Morgens auf einem Perserteppich zu Füßen des Papstes wiederfindet.

    Als Kinderbuchautor erzählt er seinen Kindern Geschichten über Krakau und die Welt, in seinen Reiseführern beschreibt er für sie Griechenland, Frankreich oder Italien. Und in „Café Szafé“, so der Titel seines Erzählbands, lässt er den Leser teilhaben an dem, was ihm seine Stammkunden in nächtelanger Arbeit am Tresen erzählt haben."
Obwohl das Publikum sicher zu 90 % aus (auch) polnisch-sprachigen Besuchern bestand, wurden die Texte in deutscher Übersetzung gelesen (von Bernt Hahn und Jörg Hustiak). Für die musikalische Umrahmung sorgten der großartige Gitarrist Arkadiusz Błeszyński und Krzysztof Kozielski (Bass).

Ich hätte in Anbetracht der relativen Jugend der beiden Autoren erwartet, dass modernere Formen und eher zeitgenössische Inhalte zur Geltung kommen würden. Aber beide Autoren verband die Neigung zur kleinteiligen, skurrilen Pointe, die sich aus vielfältigen Abschweifungen ergab. Erzählt wurde (vor allem von Dehnel) von bürgerlichen, ja von großbürgerlichen Verhältnissen, die zwei oder drei Generationen zurück lagen. Die polnische Jeunesse dorée überspringt offenbar die kommunistische Elterngeneration und wendet sich der Vorkriegszeit zu. Bei einem Glas Wein ein interessanter Abend.

27
Mrz
2009

Shall we dance?

Ich habe den französischen Film 'Man muss mich nicht lieben' gesehen, über einen mehr als 50jährigen Gerichtsvollzieher in Paris, der einen frustrierenden Beruf und ein frustrierendes Leben hat. Aber eines Tages macht er einen Tangokurs - und sein Leben ändert sich. Ein stiller, ruhiger, auch erotischer Film.





Und da war vor einigen Monaten der amerikanische Film 'Darf ich bitten?' Der Chicagoer Anwalt John Clark - gespielt von Richard Gere - hat eine Frau und eine gesicherte Existenz und eine innere Leere. Auf dem Weg von der Arbeit nach Hause sieht er eine Tanzlehrerin (Jennifer Lopez). Fasziniert von ihr beschließt er, sich für einen Tanzkurs anzumelden. Das Tanzen verändert sein Leben - und (Happy-end!) rettet am Ende seine Ehe.

Im amerikanischen Film ist natürlich viel mehr Konvention, Moral und Artistik. Im französischen findet sich eine bittere Süße, eine Mischung von Romantik und Realismus, vor allem nachdem der Gerichtsvollzieher beim Tanzen einer viel jüngeren Frau begegnet - die sich in ihn verliebt.





Beide Filme üben eine gewisse Faszination aus, weil gezeigt wird, wie Kopfmenschen, die ihre Wünsche nie auf eine anmutige, schöne Weise auf ihren Körper übertragen konnten, lernen, genau das zu tun. Sie bereichern ihr Leben um eine weitere Dimension, indem sie ihre Gefühle und sich selbst im Tanz, in der Bewegung ausdrücken.

6
Mrz
2009

Die Times zu: Romeo und Julia auf Twitter

Einen anschaulichen Bericht zu dem Versuch, nach Shakespeares 'Der Widerspenstigen Zähmung' nun auch 'Romeo und Julia' mit dem Micro-Blogging-Tool Twitter zu veröffentlichen findet man in der Times: Romeo & Julia

Siehe auch meinen Artikel Shakespeare twittern

Alle Liebe ist Verrat

Alle Liebe ist Verrat, insofern, als sie dem Leben schmeichelt. Der Mann ohne Liebe ist am besten gewappnet.

(aus meiner aktuellen Lektüre: John Updike, Ehepaare, USA 1968)

5
Mrz
2009

Das Motto von Yojibee

Dance like nobody’s watching,
Love like you’ve never been hurt,
Sing like nobody’s listening and,
Live like it’s Heaven on Earth

http://www.yojibee.com/about/

3
Mrz
2009

Der Untergang des Historischen Stadtarchivs von Köln

Das ist ein trauriger Tag für Köln.

Ich habe in meinem Lieblingscafé gearbeitet, das einen kostenlosen WLAN-Zugang hat. So erfuhr ich über 'Cologne'-Tweeds von Twitter-Usern vom Einsturz des Gebäudes, wo das Historische Archiv der Stadt Köln untergebracht war. Ein hässlicher 70er Jahre Betonbau - doch bis zum Rand gefüllt mit den Zeugnissen von 1000 Jahren Stadtgeschichte.

Ich traute der Sache zuerst nicht, als dann jedoch immer mehr Kurznachrichten eintrafen, schaute ich auf die Online-Seite des Kölner Stadtanzeigers, wo erste Fotos anzusehen waren: das war wie nach einem Bombenangriff. Da stand nichts mehr.

Ich las, dass unter Umständen viéle Menschen ums Leben gekommen waren und war schockiert. Ich bin Hunderte Male an dem Gebäude vorbei gefahren und doch hat sich erst allmählich das Bewusstsein eingestellt, dass - wo die Seele Kölns aufbewahrt war - nun buchstäblich nichts mehr vorhanden war.
  • "Der Schaden sei erheblich größer als beim Brand der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek, sagte Illner. „Wir reden hier von ungefähr 18 Regalkilometern wertvollsten Archivguts, und zwar europäischen Ranges.“

    Das Historische Archiv der Stadt Köln gilt als eines der größten Stadtarchive Deutschlands. Das Archiv umfasst Dokumente aus über tausend Jahren Kölner und rheinischer Geschichte, unter anderem 65.000 Urkunden, 104.000 Karten und eine halbe Million Fotos. Auch zahlreiche Nachlässe, darunter der des Schriftstellers Heinrich Böll, befinden sich in dem Archiv. Der Schaden gilt als unschätzbar, Wissenschaftler sprachen davon, dass das „Gedächtnis der Stadt“ ausgelöscht worden sei.
  • (FAZ.NET)
In das Archiv des Nobelpreisträgers Heinrich Böll, an dessen Geburtshaus ich fast jeden Tag vorbei gehe, wurden zuletzt Hunderte von Kriegsbriefen an seine Frau eingestellt.

Mehr lesen (mit einer umfangreichen Bilderstrecke): FAZ

Das ist ein trauriger Tag für Köln.

PS: Als Versicherungswert für das größte kommunale Archiv nördlich der Alpen wird ein Wert von 400 Millionen Euro genannt.

21
Feb
2009

Twilight - Biss zum Morgengrauen

Die Kritiken waren nicht besonders: der Teenagerfilm 'Twilight' nach dem gleichnamigen Roman, einer 'Vampir-Romanze' von Stephenie Meyer lief im Frechener 'Linden-Theater', einem 50er Jahre Kino, das in seit vielen Jahren (vorbei am Kinosterben) von einem enthusiastischem Verein betrieben wird.

Das Besondere: meine Tochter hatte mich gefragt, ob ich mit ihr ins Kino gehe und wer kann da als Vater schon nein sagen?

Der Film war gar nicht so übel. Eine Vampirgeschichte (die sich noch über weitere Teile spannt bzw. spannen wird): Bella, ein junges Mädchen, zu Besuch bei ihrem Vater (die Eltern sind - selbstverständlich - geschieden, lernt an einer Highschool im kalten, waldreichen Nordwesten der USA einen seltsamen Burschen kennen. Er (und seine Familie) erweisen sich als Vampire, allerdings als 'gute', die sich fast vegetarisch, d.h. nur noch von Tierblut ernähren.



Es gibt jedoch auch die bösen Vampire, die eine solche Reduktion einfach nicht einsehen wollen und munter Menschen schlachten und das auch mit Bella vorhaben, die nun von ihrem Vampirfreund und seiner Familie beschützt wird und - in dieser ersten Folge (die literarische Vorlage, ein Weltbestseller, hat mittlerweile drei vier Bände) knapp überlebt. Allerdings - und das ist gewiss der Auftrag für die nächsten Folgen - will sie ihrem Freund als Vampir in die Unendlichkeit folgen. Er jedoch - der seit einigen Hundert Jahren buchstäblich die Schattenseiten dieser Existenzform kennt - will das nicht. Das heißt, die zarte Liebesgeschichte hat ihre reizvolle existentielle Tiefe.

Ich habe mich bei frischem Popcorn gut unterhalten gefühlt. Das riesige Kino war kaum besetzt (der Film lief schon eine Weile). Freilich scheine ich bei meinen seltenen Kinobesuchen immer wieder das Glück zu haben, dass sich eine Zweizentnerbombe neben mir platziert und in einer Weise Popcorn (es waren mindestens mehrere Kilo) in sich reinstopft, die auch Tote aufgeweckt hätte.

Aber gut, meine Süße war zufrieden und ich war zufrieden, weil sie zufrieden war. Noch dazu an Karneval, wo im Rheinland besondere Regeln gelten. Schönen Biss.

18
Feb
2009

Von Google lernen: Mehr Links wagen!

„Join a network“, „Be a plattform“, „Trust the people“.

Ein interessanter Artikel von Harald Staun im FAZ.Net über den Google-Interpreten und Web-Guru Jeff Jarvis, der in seinen Veröffentlichungen fordert, Google ernst zu nehmen und vom Erfolg des Suchmaschinen-Giganten zu lernen. „Tu das, was du am besten kannst, und verlinke auf den Rest“.

Und zum mehr Lesen hier natürlich der Link

Die Deutschen sind

"Ein Deutscher, aber ein guter Kerl trotz allem. Allerdings ein Deutscher." Er setzte sich Pierre gegenüber. "A propos, Sie können Deutsch?"
Pierre sah ihn schweigend an.
"Was heißt asile auf deutsch?"
"Asile?" wiederholte Pierre. "Asile heißt auf deutsch Unterkunft."
"Wie sagen Sie?" fragte der Hauptmann schnell und ungläubig.
"Unterkunft", sagte Pierre noch einmal.
"Onterkoff", wiederholte der Hauptmann und sah Pierre ein paar Augenblicke mit lachenden Augen an. "Die Deutschen sind tüchtige Einfaltspinsel, nicht wahr, Monsieur Pierre?" schloß er.


(aus meiner aktuellen Lektüre: Krieg und Frieden von Leo Tolstoi)

12
Feb
2009

Shakespeare twittern

In den USA (wo sonst) ist ein Experiment angekündigt, das zweifellos drastisch die augenblickliche Debatte wiederspiegelt, wie das Web2, die Entwicklung von Blogs und Diensten wie Twitter oder, im Bereich der Hardware, das E-Book sich auf Formen von Literatur auswirken werden: Shakespeares klassische Komödie 'The Taming of the Shrew' soll in Form von öffentlichen SMS (genannt: Twittern, 'aufgeführt' werden.

“Spanning 19 Twitter accounts and presented over 12 days (one scene daily), Twitter of the Shrew attempts to live up to Shakespeare’s “Brevity is the soul of wit” proverb, by condensing the play’s iambic pentameter dialogue down to updates of 140 characters or less... It will play out from the 14th till the 25th of February 2009 “

Eine genauere Beschreibung des Projekts findet sich hier: Shakespeare twittern Ich bin neugierig geworden - und werde gewiss mal 'reinschauen'.
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Erzählen

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Belle Oppenheim
Frederik Biografiearbeit Southern Belle
Johanna Tweets
Demenz Carl Kleider 1989
Patrizia Alzheimer Frechen
ich artist in residence
Gia Böll Köln

Amélie
Narff
Gedichte Johnny 2001
Bettina Leipzig Alltagsbetreuer Liebe am Nachmittag Haiku

:::::::::::::::::::::::::::::::: Jochen Langer lebt und arbeitet als Autor in Köln. Er war als Dozent für die 'Grundlagen des Erzählens' zuständig und hat eine Vorliebe für Literaturaktionen. Zahlreiche Förderpreise und Auszeichnungen. www.jochenlanger.de ----- Seit 2009 Alltagsbetreuer für demenziell Erkrankte, Dozent an Fachseminaren der Altenpflege und Museumsführer für Demenzkranke. Gründung von dementia+art - ein Dienstleistungs-Unternehmen für 'Kulturelle Teilhabe bei demenziellen Erkrankungen und altersspezifischen Einschränkungen'. www.dementia-und-art.de

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_____________________ Meine Kommentare

Danke für deine Antwort,...
Danke für deine Antwort, Lady! Dass sie nie zusammen...
JochenLanger1 - 2. Apr, 23:14
Ich hätte ja gern gewusst,...
Ich hätte ja gern gewusst, wie du (und andere) das...
JochenLanger1 - 2. Apr, 17:00
Kaffeehaus-Essenz.
Auch ich habe Ihren Kommentar gerne gelesen, weil er...
JochenLanger1 - 31. Mär, 09:04
Die Reise des Helden
Nein, das ist nicht begriffsstutzig, sondern auch mein...
JochenLanger1 - 30. Mär, 21:29
Nicht für das oben beschriebene...
Nicht für das oben beschriebene Vorhaben. Ansonsten...
lamamma - 29. Mär, 23:12

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